ich bin in einer woche auf der re:publica!
catched marie kilg und mich, wie wir am 5. juni 20:00 in einem kurzen vortrag die ki-apokalypse verhindern (mit ki).
catched außerdem am 7. juni 15:00 das mystery-panel des ard perspective lab, auf dem es u.a. um meine fiction-podcast-serie mia insomnia geht.
oder catched mich zwischendurch — ich freue mich über jede nachricht (z.b. auf linkedin).
Denken in ChatGPT
Die Frage, die ich in den letzten Monaten am häufigsten gestellt bekommen habe, war “Bist du aufgeregt?” (am Tag meiner Hochzeit).
Am zweithäufigsten war:
“Wie kann ich KI im Alltag nutzen?”
Dieser Text versucht, eine Antwort auf letztere Frage zu geben. Bisher hatte ich da nie eine gute allgemeingültige Antwort darauf.
Andere Leute freilich schon. Virale Twitter-Threads versprechen “20 ChatGPT-Hacks, die deine Produktivität massiv steigern”, Workshops wollen “dich zum ChatGPT-Meister” machen und Blog- und LinkedIn-Posts können dir alle exklusiv verraten, “wie DU ChatGPT HEUTE einsetzt”.
Ich habe überhaupt nichts gegen diesen Content, ich habe selber schon jede Menge aus Threads und Posts dieser Art gelernt. Sie liefern alle nur keine Antwort auf die große Frage: “Wie kann ich KI im Alltag nutzen?”
Hier ist mein Versuch, diese Frage zu beantworten.
1. LASS MICH DAS FÜR DICH GOOGLEN
Ein Schritt zurück:
Die letzte große digitale Revolution für digitale Informationsverarbeitung war das Verbraucherinternet, gepaart mit der Online-Suchmaschine.
Nur das Internet oder nur die Suchmaschine für sich hätte nicht gereicht, es brauchte beides auf einmal. Und zusammengenommen veränderten sie natürlich alles. Sie brachten den Google-Workflow:
Schritt 1: Ich habe ein Problem.
Schritt 2: Ich google das Problem.
Schritt 3: Ich löse das Problem.
Zackbumm, die Welt verändert.
Nur… das war es noch nicht.
Es ist nicht lange her, da klagte mir eine Kollegin in der Mittagpause ihr Leid. Ihre Windows-Taskleiste am Computer war nicht mehr da, wo sie sein sollte — statt unten am Bildschirm klebte sie ganz oben. Ich meinte: “Wahrscheinlich ist die Fixierung aufgehoben worden und du hast sie versehentlich nach oben gezogen. Du müsstest sie einfach per Drag and Drop wieder nach unten ziehen kommen.” Und dachte mir zusätzlich: “Aber das hätte man auch googlen können.”
Die Kollegin hatte das Problem ziemlich genervt, und sie konnte mit ihrem Computer eigentlich schon umgehen — sie hatte nur diesen einen Schritt im Kopf nicht gemacht: das Problem einfach in Google eingeben.
Das bedeutet: Der Google-Workflow besteht eigentlich nicht aus drei, sondern aus vier Schritten — zwischen “Schritt 1: Ich habe ein Problem” und “Schritt 2: Ich google das Problem” hat sich etwas dazwischengeschmuggelt: “Schritt 1.5: Ich denke daran, dass ich das Problem googlen kann.”
Das klingt erstmal nach keiner großen Hürde, aber im Alltag begegnet sie uns ständig. Auch ich selbst als ach so stolzer Digital Native laufe teilweise monatelang mit kleinen Problemchen durchs Leben, bis ich mal auf die Idee komme, mich wirklich um sie zu kümmern (d.h. googlen).
Die Internet-Suchmaschine hatte also zwei große Hürden zur Verbreitung: Eine technische, und eine im Kopf der User. Die technische ist gelöst — Google funktioniert (einigermaßen). Aber das im Kopf, das ist immer noch in Arbeit.
Und das Gleiche passiert mit KI:
Auch ChatGPT ist nicht nur technisch limitiert. Sondern vor allem dadurch, wir wir mit ihnen umgehen.
2. DENKMASCHINEN
Sprach-KIs wie ChatGPT sind Denkmaschinen. Cognition as a Service.
GPT-4 ist wahrscheinlich die mächtigste Denkmaschine, die aktuell (für 20 Dollar im Monat) zur Verfügung steht. GPT-4 kann Verbindungen von einem bis ans andere Ende der Welt herstellen, es kann Dokumente durchforsten und Muster erkennen, es kann imitieren und unterhalten, und es kann großartige kognitive Leistungen vollbringen.
Aber nur, wenn man den richtigen Prompt eingibt.
Bittet man GPT-4 um Ideen innerhalb eines Kontext, in dem man gerade arbeitet, sind die oft großartig.
Bittet man GPT-4 einfach so um Ideen, sind sie meist schlecht.
Will man mit GPT-4 auf gute Ideen kommen, muss man als Mensch also den Kontext liefern.
Man muss sich antrainieren, immer wieder im richtigen Moment zu denken “Das könnte ich jetzt auch ChatGPT fragen”, bis es so selbstverständlich wird wie ein Problem zu googlen.
Eine Text-KI als übergestülptes Gimmick für alte Workflows bringt überhaupt nichts.
Eine Text-KI, die sich an allen Stellen, wo man sie brauchen kann, in den Workflow integriert… die kann Superkräfte freischalten.
3. WAS KANN EINE KI?
Woher weiß man also, was man ChatGPT fragen kann?
Hier ein — nicht sehr ästhetischer — Versuch, das zu visualisieren:
Stellen wir uns die Trainingsdaten von GPT-4 vor wie das große Einmaleins. Alle Zahlen von 1-20, miteinander multipliziert.
Dieser KI, die das große Einmaleins gelernt hat, stellen wir jetzt drei Arten von Fragen:
“Wie viele Einwohner hat Deutschland?“
“Was ist 14 mal 9?”
“Was ist 25 mal 16?”
Antwort 1 weiß sie nicht, denn diese Info war nicht in den Trainingsdaten (vielleicht halluziniert sie aber eine Antwort und sagt “500”).
Antwort 2 weiß sie vermutlich, denn diese Info war in den Trainingsdaten.
Und jetzt der Knackpunkt: Antwort 3 weiß sie vermutlich auch. Obwohl die Antwort nicht in den Trainingsdaten war.
Die KI hat aus den vorhandenen Daten gelernt, und kann sie nun neu zusammensetzen, zu Informationen, die sie bisher noch nicht hatte und nach denen bisher auch niemand gefragt hat.
In Punkt 3 passiert die Magic.
Denn:
1 sind Fragen, auf die die KI keine Antwort kennt.
2 sind Fragen, deren Antworten der KI mitgeteilt wurden.
3 sind Fragen, deren Antworten die KI sich erschließen kann.
Jetzt vergessen wir das große Einmaleins.
Denn GPT-4 wurde nicht mit dem großen Einmaleins trainiert, sondern mit gigantischen Mengen an Text und Daten.
Aber die drei Fragen-Typen bleiben gleich. Und deshalb fragen wir GPT-4:
Habe ich noch Kartoffeln im Schrank?
Sind Kartoffeln gesund?
Ich habe etwas ältere Kartoffeln im Schrank, die ich dringend mal machen sollten, am besten im Airfryer, und am besten direkt so viel, dass ich morgen noch was davon habe, die Zubereitung sollte nicht allzu lang dauern, ich bin allergisch gegen Erdnüsse, mag Zwiebeln nur in Röst- oder Pulverform, würde ganz gerne vegan machen, es soll nicht zu trocken sein und jetzt wo ich es mir genau überlege, wäre ein bisschen Käse doch nicht schlecht, also streich das mit dem vegan. Was soll ich kochen?
Antwort 1 weiß GPT-4 nicht (auch wenn es eine Menge Leute geben wird, die der KI trotzdem Fragen dieser Art stellen).
Antwort 2 kann GPT-4 mit akzeptabler Genauigkeit nennen, weil die Information in den Trainingsdaten steckt. Diese Antwort könnte ich auch googlen.
Aber in Antwort 3 leuchtet GPT-4 auf. Google könnte mit dieser Frage nichts anfangen. GPT-4 schon.
Die beste Nutzung von ChatGPT ist es deshalb, ständig Fragen der Kategorie 3 zu stellen. Fragen, auf die es keine eindeutige Antwort gibt, aber bei denen es sich lohnt, die KI erschließen zu lassen.
Und welche Fragen sind das?
Weil wir alle anders arbeiten, andere Workflows, Themen und Leben haben, sind sie bei uns allen unterschiedlich.
Wer ChatGPT nutzen will, kann sich deswegen auch durch Twitter-Threads, Workshops und Artikel inspirieren lassen.
Aber vor allem muss er ChatGPT mitdenken.
4. WIE ICH GPT-4 NUTZE (EINE KLEINE AUSWAHL)
Das hier sind ein paar Beispiele aus meinen letzten zwei Wochen.
Es sind keine weltbewegenden Beispiele. Ich habe kein Unternehmen mit ChatGPT gegründet, keine neuen versteckten Hacks ausfindig gemacht oder meine Produktivität um 300% gesteigert (um ehrlich zu sein war ich auch hauptsächlich im Urlaub).
Ich habe einfach meinen ganz normalen Alltag gelebt. Mit GPT-4.
(Und ja, das ist alles echte Screenshots, Tippfehler inklusive.)
Kontext:
Eine Freundin erwähnt im Gespräch ein Smartphonespiel, kommt aber nicht auf den Namen.
Kontext:
Ich brauche für einen Podcast eine einfache Erklärung, damit jeder sofort versteht, was der britische Telcom-Riese BT ist.
(Hab das hinterher noch gegooglet, was sinnvoll war)
Kontext:
Ich arbeite an einem Konzept für eine fiktionale Serie, in der der der Hauptcharakter eine Software entwickelt. Aber was für eine? Sie muss ja zur Geschichte passen.
Kontext:
Ich will Clara zum Geburtstag gratulieren.
Kontext:
Ich schreibe diesen Artikel hier, und mir fällt kein Beispiel für ein leicht-googlebares Problem ein.
Hab mich dann wieder an das mit der Taskleiste erinnert.
Und ohne Screenshots, weil nicht für die Öffentlichkeit:
Ich habe in einem Long-Form-Storytelling-Projekt, an dem ich arbeite, eine dramaturgische Lösung gesucht und durch durch Brainstormen mit GPT-4 gefunden
Ich habe alle Notizen für ein Serienkonzept unsortiert in GPT-4 gekippt und um Ideen für Visuals gebeten, damit ich die in Midjourney umsetzen kann
Ich habe ein bisschen Python-Code schreiben lassen, um ein technisches Problem zu lösen
Ich habe herausgefunden, in welcher Stadt eine bestimmte halb-prominente Person wohnt (via Bing Chat, das Ergebnis hatte Bing dann aus einem Blogartikel, den die Person selbst verfasst hat, die Information war also da, aber trotzdem nur schwer googlebar wenn man den Namen der Stadt nicht kennt)
5. FAZIT
GPT-4, und andere LLMs, sind mächtige Denkmaschinen.
Aber man muss sie immer noch selbst anschmeißen.
Außerdem
KI und Gesellschaft
Nein, OpenAI wird die EU trotz Warnung nicht verlassen, aber der AI Act ist trotzdem katastrophal. neunetz.com
AI Chatbots and Our Loneliness Epidemic. digitalnative.substack.com
Eating Disorder Helpline Fires Staff, Transitions to Chatbot After Unionization. vice.com
An apparently AI-generated hoax of an explosion at the Pentagon went viral online — and markets briefly dipped. insider.com
AI is taking the jobs of Kenyans who write essays for U.S. college students. restofworld.org
GPT-3.5 ist vor einigen Monaten noch am bayerischen Abitur gescheitert. GPT-4 hat es jetzt geschafft — und zwar fast mit Einserschnitt. br.de
KI-Anwendungen
Meet Your New Finance Intern: GPT-4. every.to
Donald Trump trollt Ron DeSantis’ fehlgeschlagenen Twitter-Wahlkampf-Launch mit Adolf Hitler-Voicefake. twitter.com
What happens when AI reads a book. oneusefulthing.org
Die Travel-Website Skift hat alle ihre Ressourcen in einen Chatbot verwandelt. ask.skift.com
KI und Media
Grimes Invited Anyone to Make A.I. Grimes Songs. Here Are Her Reviews. nytimes.com
That podcast ad you're listening to may soon be AI. Spotify is reportedly developing bots to mimic your favorite hosts. insider.com
Yes, Google’s AI-infused search engine will have ads. marketingbrew.com
Content
Artifact (die Text- und News-App der Instagram-Gründer) now lets you mark articles as clickbait. If Artifact receives enough reports about an article, it might end up changing the headline. theverge.com
TikTok users are falling down rabbit holes where feature films are offered one 10-minute clip at a time. theatlantic.com
The hype machine for Ezra Miller’s ‘The Flash’ is getting weird. dailydot.com
Menschen und Maschinen
Modern work requires attention. Constant alerts steal it. stackoverflow.blog
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