du liest cool genug, den tech- und medien-newsletter von gregor schmalzried.
der neue wöchentliche ki-podcast, den marie kilg, fritz espenlaub und ich für die ard machen, läuft seit nun einem monat: bisher haben wir über arbeitsplätze, produktivität, klimakrise, liebe und bewusstsein gesprochen. wärmste empfehlung! (auch wenn ich etwas voreingenommen bin)
der ki-podcast auf apple podcasts
der ki-podcast in der ard audiothek
Niemand will klingen wie ChatGPT
1. A GUY WHO SOUNDS LIKE CHATGPT
Einen Tag bevor der Trump-Mugshot die Medien überschwemmte, versuchten acht andere Leute die amerikanische Öffentlichkeit an eine Sache zu erinnern: Sie würden, eventuell, auch ganz gerne als Präsidentschaftskandidat der Republikaner nominiert werden.
Der heimliche Star der Debatte war Vivek Ramaswamy, ein einigermaßen charismatischer Pharma-Unternehmer und glühender Trump-Fan. Und unter den vielen Attacken, die die anderen Debatten-Teilnehmer auf ihn warfen, war zumindest eine ganz interessant:
Chris Christie, Ex-Gouverneur von New Jersey, verglich Ramaswamy negativ mit zwei Namen: Einmal mit einem offensichtlichen: Barack Obama. Außerdem aber mit einem unerwarteten: ChatGPT.
Wortlaut: “I’ve had enough of a guy who sounds like ChatGPT stand up here.”
Lustiger Roast, auf jeden Fall.
Aber was bedeutet er eigentlich?
2. GEGEN DEN HYPE
Professor und Forscher Gary Marcus, ein namhafter Kritiker des AI-Hypes, sah darin ein Zeichen dafür, dass sich der Wind der öffentlichen Meinung dreht. AI ist nicht mehr cool, sagt er. AI ist lame.
Das kann man natürlich so sehen.
Jeder Hype braucht sein Korrektiv und natürlich braucht es auch Leute, die darauf hinweisen, dass KI nichts ist, was man einfach in seine Organisation einstöpseln und damit automatisch die Konkurrenz schlagen kann. Auch wird man nicht reich, nur weil man die Tipps in einem Twitter-Thread namens “So wirst du mit KI reich” befolgt.
Aber war dieser Moment wirklich ein Diss gegen die Technologie an sich?
Einmal bin als jemand, der selbst gerne mit Generativer KI arbeitet, ein bisschen schwer mit dem Argument zu kriegen, diese Technologie sei nichts wert. Ich glaube auch kaum, dass jemand bei OpenAI sich darüber ärgert, so sehr im Zeitgeist angekommen zu sein, dass ein Politiker vor einem Millionenpublikum ChatGPT erwähnen kann und alle wissen, worum es geht.
Für mich ist relativ klar, wie dieser Moment gemeint war:
“ChatGPT klingt berechenbar, generisch und steif. Genau wie du.”
Und natürlich stimmt das auch. Niemand, der regelmäßig mit ChatGPT schreibt, würde bestreiten, dass der Chatbot gerne ermüdend langweilige Antworten gibt.
Kein Mensch könnte auf die Idee kommen, GPT-4 würde eines Tages Werbetexter ersetzen, wenn die angebliche Créme de la Créme der Large Language Models solche banalen Ergebnisse liefert:
Noch schlimmer wird es, wenn man GPT-4 auffordert, Geschichten zu schreiben. Dann sind auf einmal alle Figuren ehrenhaft und verständnisvoll, alle Konflikte werden sofort aufgelöst, alle sind mutig, führungsstark und perfekt, und niemand gerät je in ernsthafte Gefahr.
Nur… passiert das wirklich, weil GPT-4 so schlecht ist?
Teilweise ja. GPT-4 ist ein statistisches Modell und gibt gern die offensichtlichste Antwort. Und das ist auch meist die generischste, langweiligste.
Aber das ist nicht alles.
3. WAS STIMMT NICHT MIT CHATGPT?
Im Februar dieses Jahr habe ich in diesem Newsletter über eine Reihe eigenartiger Fälle geschrieben, in denen OpenAIs Chatbots Nutzer bedroht, ihnen ihre Liebe gestanden oder einfach enorm verunsichert haben.
Seitdem hat sich einiges getan. OpenAI und Microsoft wollen nicht, dass aus GPT-4 ein experimentelles Produkt für Nerds wird. Sie wollen es in all ihre Business-Tools mit einbauen und für 30 Dollar im Monat verkaufen. Nur hat niemand Lust, einen Chatbot in sein Unternehmen zu holen, wenn er Mitarbeitern mit Rufmord droht.
Seit diesen Geschichten im Februar hat sich ChatGPT merklich verändert. Die Antworten sind langweiliger geworden, unerwartete “Geistesblitze” gibt es kaum noch, stattdessen verschwimmen ChatGPTs Antworten schnell in einer Brand-Safety-Suppe, mit der man nichts anfangen kann.
Anders gesagt: ChatGPT wird zunehmend zur Langeweile designed.
Ein Beispiel, welches das gut illustriert:
Die bekannteste Catchphrase von Logan Roy aus der HBO-Serie Succession ist “Fuck off!” Das wissen sogar einige Leute, die die Serie nichtmal gesehen haben. Seit dem Start von Succession 2018 wurde es in zahllosen Artikeln erwähnt. Es gibt überhaupt kein Szenario, in dem diese Information nicht in den Trainingsdaten von GPT-4 liegt.
Und trotzdem… passiert das hier:
Stell dir vor, du bist einer der tollsten Roboter der Welt, aber hast Angst, “fuck” zu sagen.
(Immerhin ist GPT-4 offen für Feedback:
💀.)
Unter ChatGPT-Enthusiasten im Internet wird dieses Phänomen schon seit einigen Monaten lautstark diskutiert.
Insbesondere in Reddit-Foren wie /r/singularity oder /r/ChatGPT kritisieren User OpenAI gerne dafür, seine Produkte im Laufe des Jahres bewusst eingeschränkt oder “lobotomisiert” zu haben. Oft wird dabei auf eine Untersuchung verwiesen, nach der ChatGPT tatsächlich etwas “dümmer” geworden sei. Manchmal wird auch der Vorwurf laut, ChatGPT sei jetzt “woke”.
Immerhin sind die Memes gut.
4. A GUY WHO SOUNDS LIKE CHATGPT?
Was heißt das jetzt für Chris Christie und Vivek Ramaswamy?
Nein, es ist nicht cool, so zu klingen wie eine KI.
Aber es ist erst recht nicht cool, so zu klingen wie eine KI, die nur roboterhafte Phrasen herunterbetet, aus Angst, sich festlegen zu müssen.
Denn “roboterhafte Phrasen herunterbeten, aus Angst, sich festlegen zu müssen” — das sollte weiterhin das Feld der Politik bleiben.
Im Januar dieses Jahr habe ich in diesem Newsletter darüber geschrieben, wie man sich in der kommenden Schwemme von AI-Content durch Kommunikation behaupten kann:
Je eigenartiger, skurriller, schrulliger ein Text ist, desto besser. Jeder seltsame Querverweis, jedes Meme und jeder Inside-Joke hilft uns dabei, menschlicher zu wirken. Wir müssen Texte schreiben, die auch klingen wie Texte von Menschen. Denn Texte von Robotern gibt es bald mehr als genug.
Bislang steht das noch.
5. A CHATGPT THAT DOESN’T SOUND LIKE CHATGPT
Ach ja… und was ist jetzt mit ChatGPT? Kann ich das Ding, zumindest was kreative Arbeit angeht, erstmal in die Tonne hauen?
Muss nicht sein. Ich muss nur anders damit umgehen.
Das hier ist out:
Das hier ist in:
…
Meine liebsten Vorschläge, die ich mit dieser Methode gekriegt habe (neben viel Müll):
“Schau Mama, ohne Hände!”
“Wo wir hinfahren, brauchen wir keine Hände.”
“Auto fährt. Du träumst.”
Natürlich ist das nicht gut genug, um Werbetexter zu ersetzen. Aber es ist auf jeden Fall gut genug für eine Brainstorming-Session. Wer weiß, vielleicht kriegt man ja so sogar ein “Fuck” aus der Maschine.
Mehr Gregor
Ich starte eine neue Tech/Wirtschafts-Kolumne für das großartige Wirtschaftsmagazin brand eins, für das ich bereits letztes Jahr regelmäßig geschrieben habe. Im Auftakttext geht es darum, warum Einzelpersonen und kleine Teams besser positioniert sein könnten, generative KI zu nutzen, als große Organisationen. brandeins.de (Wer nicht klicken möchte: Die Texte finden sich auch immer im jeweils aktuellen Print-Heft.)
Ich bin am 14. September zu Gast auf der scoopcamp-Konferenz in Hamburg und freue mich darauf, mit brand eins-CEO Holger Volland und meiner KI-Podcast-Co-Host Marie Kilg auf der Bühne zu sitzen. nextmedia-hamburg.de
Der KI-Podcast auf Spotify, Apple Podcasts und in der ARD Audiothek. Ich empfehle aktuell vor allem die Folgen über “Bewusstsein” und “Verlieben”.
Außerdem
KI-Anwendungen
Google’s Jigsaw was trying to fight toxic speech with AI. Then the AI started talking. fastcompany.com
Rise of AI newsbots shakes up India's media landscape. asia.nikkei.com
Open sourcing AudioCraft: Generative AI for audio made simple and available to all. meta.com
Author finds AI books falsely written under her name for sale on Amazon. mashable.com
Welcome to the Age of AI-Powered Dating Apps. nymag.com
'AI and the Church' tech initiative aims to bring God's power to those in need. foxnews.com
AI comes for YouTube’s thumbnail industry. restofworld.org
How Mars, Colgate-Palmolive, Nestle & Coca-Cola are Exploring Generative AI. consumergoods.com
KI-Hintergrund
Wie Journalist*innen über KI und Algorithmen berichten können. medium.com
A shortcut to acceptance. berlinartweek.de
Companies struggle to deploy AI due to high costs and confusion. axios.com
Transformers: the Google scientists who pioneered an AI revolution. ft.com
Content
TikTok's 'blueberry milk nails' have the internet questioning trend culture. mashable.com
“Empty World” videos. youtube.com
Business
‘The everything app’: why Elon Musk wants X to be a WeChat for the west. theguardian.com
Wie Google Maps dein Leben bestimmt. youtube.com
"They need us. We don't need them:" The fall of Twitter is making the trolls and grifters desperate. salon.com
Fandom
‘This belongs in the Smithsonian’: Inside the meme video operation that swallowed Ron DeSantis’ campaign. semafor.com
Pop’s middle class enjoys loyal online fan bases. For these artists, pop stardom isn’t a commercial category, but a sound, an aesthetic and an attitude. nytimes.com
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