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Fake Magic
Coca-Colas neuer Santa-Spot unter dem Banner “Real Magic” ist nicht sehr gut.
Die Personen darin sehen alle aus, als hätte die Kälte ihnen ein Joker-artiges Lächeln ins Gesicht gefroren, keiner der Shots scheint logisch auf den vorherigen zu folgen und nicht eine einzige visuelle Idee ist neu oder auch nur interessant.
Ach ja, und er wurde komplett mit AI erstellt.
Die Reaktionen auf “Real Magic” fallen größtenteils sehr negativ aus. “Coca-Cola's 'real magic' holiday ad, made with artificial intelligence, sparks backlash” und “A new culture war is brewing — and Coca-Cola's AI Christmas ad is at the center” sind zwei exemplarische Headlines.
Ich glaube, die Headlines verpassen den eigentlichen Punkt des Backlashs.
Ja, es gibt Leute, die wütend sind, dass Coca-Cola AI eingesetzt hat.
Aber vor allem gibt es Leute, die wütend sind, dass der Spot doof und schlecht ist. Und wenn Coca-Cola AI genutzt hätte, um einen smarten und guten Spot zu erstellen, würden wir ein völlig anderes Gespräch führen.
Woher wir das wissen?
Weil Coca-Cola bereits vor einem Jahr AI genutzt hat, um einen smarten und guten Spot zu erstellen:
Und nicht nur haben wir damals ein völlig anderes Gespräch geführt, der Clip wurde mit Awards ausgezeichnet und, auch in den YouTube-Kommentaren, mit Lob überhäuft.
Der offensichtlichste Unterschied zwischen “Masterpiece” und dem neuen Weihnachts-Spot ist: “Masterpiece” wurde nicht zu 100% mit AI erstellt, sondern nutzt eine Kombination verschiedener Bildquellen. AI-Tools gehören dazu, aber auch reale Filmaufnahmen, klassische Kunstwerke und 3D-Modellierungen.
Das ist aber nicht der wesentliche Unterschied.
Der wesentliche Unterschied ist: “Masterpiece” ist ein guter Spot. Und “Real Magic” nicht.
In “Masterpiece” werden AI-Tools genutzt, um Bilder zu erstellen, für die man zuvor irre Budgets und Zeit gebraucht hätte. AI hilft, uns Dinge zu zeigen, die wir vorher noch nie gesehen haben.
In “Real Magic” werden AI-Tools genutzt, um verbrauchte, altbackene und dann auch noch unecht aussehende Bilder zu erstellen. Alles, was der Spot uns zeigt, haben wir schon tausendmal gesehen. Warum um alles in der Welt würden wir uns jetzt eine schlechtere Variante davon anschauen?
Eine ähnliche Frage stellt sich bei “Emma”, der neue AI-Influencerin der Deutschen Tourismus-Zentrale, die sich mit außerirdischem Strahlen, einem ultra-poshen britischen Akzent und von Shot zu Shot wechselndem Hautton durch Deutschland influencen möchte.
(Tatsächlich sehen die Kommentare unter “Emmas” aktuellen Posts schon wieder aus wie die bei jeder anderen Influencerin – vielleicht wird die Agentur hinter der kuriosen Idee also sogar doch noch recht behalten, wenn das Ganze irgendwie doch noch funktioniert.)
Das Problem mit “Emma” ist auch nicht unbedingt, dass es eine grundsätzlich verwerfliche Idee ist, AI im Tourismusmarketing zu nutzen. Es gäbe sicher jede Menge spannende Ideen, die man hier umsetzen könnte.
Das Problem ist: Genau wie “Real Magic” nur echte Spots imitiert, ohne etwas Neues hinzuzufügen, imitiert der “Emma”-Account nur echte Influencer und echte Orte, ohne etwas Neues hinzuzufügen. Will ich Bilder von der Lüneburger Heide sehen? Dann finde ich die auch bei richtigen Accounts mit richtigen Gesichtern und richtigen Meinungen. Emma löst kein Problem. Sie schließt keine Lücke. Sie ist einfach nur da.
Und, wie ich in einem kurzen Experiment selbst festgestellt habe, hätte korrekter Einsatz von AI darauf hinweisen können :)
Die besten Anwendungen von Generativer AI sehen aktuell oft noch so aus wie dieser Screenshot: Sie sind experimentell, und vor allem spielen sie sich im Backend ab. Da, wo von außen niemand reingucken kann.
Eine Backend-AI-Strategie zu entwickeln, ist vergleichsweise einfach. Use Cases gibt es wie Sand am Meer, LLM-Nutzung wird täglich billiger und besser, in nur kurzer Zeit werden Prozesse oft schon schneller und Outputs besser.
Aber was ist, wenn die AI nicht im Maschinenraum bleibt, sondern tatsächlich an die Öffentlichkeit tritt?
Wer eine Frontend-AI-Strategie braucht, der hat es deutlich schwerer. Der AI-Boom ist mit einer gigantischen Hypemaschine verbunden, die viele Menschen mittlerweile nervt. Einer Untersuchung zufolge haben Verbraucher mittlerweile weniger Vertrauen in eine Produktbeschreibung, wenn darin das Wort “AI” vorkommt. Im Medienbereich ist es mittlerweile ganz ähnlich – oft gibt es kein Interesse an Inhalten, die einfach nur als “Guck, hier ist eine KI” verkauft werden.
Aber halt nur, wenn sie schlecht gemacht sind.
“Emma” mag langweilig sein… aber der AI-Song “Verknallt in einen Talahon” war es ganz sicher nicht. Ansonsten wäre er nicht auf Platz 48 in die deutschen Singlecharts eingestiegen.
Und noch besser:
Nina Chuba, eine von Deutschlands angesagtesten Popstars, veröffentlicht gerade eine Reihe von Musikvideos voller komplex generierter AI-Motive. Folgendes Video ist nur ein paar Tage alt – und vor allem die Bilder im Outro/Trailer sind wonderful.
In den Kommentaren findet sich übrigens nicht der Hauch eines Backlashs. Die trippy Ästhetik der AI-Bilder passt genau zum Vibe von Musik und Text.
Es sieht vielleicht nicht echt aus.
Aber der entscheidende Faktor ist nicht “echt”.
Der entscheidende Faktor ist “gut”.
Außerdem
Portfolio
Der KI-Podcast der ARD, den ich mit Marie Kilg und Fritz Espenlaub hoste, hatte die letzten Monate wieder lauter tolle Themen. Ich empfehle z.B. unsere Folge zu “Agents”, NotebookLM und KI und Shopping. spotify.com ardaudiothek.de
Ich habe eine größere Story für den Tagesschau-Podcast 11km gemacht. Thema: Die großen und oft hohlen Versprechen von AI-Detektoren. ardaudiothek.de
Außerdem war ich im KI-Podcast “Explained” der Deutschen Telekom zu Gast. podigee.io
In der brand eins (Paywall) habe ich eine längere Reportage über die unglückliche Lage Deutschlands im AI-Boom geschrieben. brandeins.de
Ist die Zeit der AI-Skaleneffekte vorbei?
In den letzten Wochen gab es einigen Diskurs um die Frage, ob LLMs noch so skalieren wie früher. Der conventional wisdom scheint zu sein: Rein durch mehr Rechenpower erhält man mittlerweile nicht mehr die gleichen Verbesserungseffekte wie noch in der letzten Generation von Modellen. Die nächsten Innovationen werden aus unerwarteren Ecken kommen. “Inferenz-Skalieren” wie in OpenAIs o1 könnte ein möglicher Fortschrittsvektor sein – auch interessant wären neue Oberflächen und Softwareintegrationen.
Drei gute Reads zum Thema:
AI companies hit a scaling wall. platformer.news
Here’s why AI is slowing down. mariekilg.substack.com
Scaling realities. interconnects.ai
AI und Text / Large Language Models
Googles AI Overviews senken die Sichtbarkeit von Online-Presseangeboten. Die nächste Medienkrise kommt. pressgazette.co.uk
Einige Tipps für den praktischen Einsatz von o1. Ich hatte vor Kurzem in einem meiner Workshop einen meiner Lieblings-AI-Momente jemals, als ein Teilnehmer es schaffte, sich mit o1 in fünf Minuten einen komplexen Dienstplan zu erstellen. Ich glaube, da kommt noch sehr viel auf uns zu. x.com. simonwillison.net
Verschwörungstheoretiker lassen sich von Chatbots überzeugen. Weirde Story mit allerlei Implikationen. Vergleichbarer Research kam auch schon von Anthropic. nzz.ch
Warum die Sorge vor einer “AI-Biowaffe” überzogen sein könnte. dreamofmachin.es
The plummeting cost of intelligence. tanayj.com
AI und Arbeit
Microsofts Copilot ist nach einem Jahr kein kompletter Fail, aber auch kein durchschlagender Erfolg. Your mileage will vary. LLM-basierte Technologie hängt, anders als klassische Software, viel stärker am Nutzer. Man kann viel mehr rausholen, aber auch komplett auf die Schnauze fallen. Außerdem funktioniert Microsofts AI-Ökoystem-Integration immer noch nicht so flüssig, wie sie sollte. businessinsider.nl
Eine der vielen kuriosen Geschichten aus unserer neuen AI-Realität: Copilot ist so gut im Aufspüren von Informationen, dass Mitarbeiter auch Infos erhalten, die sie eigentlich nicht sehen sollten (obwohl sie technisch gesehen darauf Zugriff haben). the-decoder.de
Chegg, ChatGPT, and the changing nature of study tools. platforms.substack.com
AI und Bild/Video/Audio
A recent AI discovery resurrected my late father's handwriting—and I want anyone to use it. arstechnica.com
The incredible blandness of AI photography. theverge.com
In South Korea, deepfake porn wrecks women’s lives and deepens gender conflict. apnews.com
AI und alles andere
The User Psychology of AI Agents—in Shopping, Healthcare, and Enterprise. digitalnative.tech
Künstliche Intelligenz: Wie die Bundesnetzagentur die Aufsicht übernehmen soll. heise.de
Content
BGH schafft endlich Klarheit bei der Nutzung einer Fototapete im Internet. anwalt.de
LinkedIn’s social pivot. readtrung.com
Celebrity Number Six and the unreal power of crowdsourced investigations. linksiwouldgchatyou.substack.com
Breaking Down OnlyFans’ Stunning Economics. matthewball.co
Goodbye Tinder, hello Strava: Have hobby apps become the new social networks? theguardian.com
Kate Nash and Lily Allen on OnlyFans should be a wake-up call for the music industry. standard.co.uk
Tech
Ben Thompson über Apples Wandlung von Hardware zu Service-Company. stratechery.com
‘Going back in time’: the schools across Europe banning mobile phones. theguardian.com
Apple gets FDA authorization to turn the AirPods Pro into hearing aids. theverge.com
The iOS Continental Drift Widens. daringfireball.net
Side Quests
Ein guter Reddit-Post. reddit.com
I’m gonna replace AI. youtube.com
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