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Das ewige Captcha
DER ULTIMATIVE TURING TEST
Stell dir vor, du wirst in einen virtuellen Gerichtssaal geführt, in dem dein physischer Körper nicht zu sehen oder zu hören ist – nur dein Avatar im Metaverse. Mit dir betritt eine KI den Raum – ein Avatar, der aussieht wie du, klingt wie du, aber ganz von künstlicher Intelligenz gesteuert wird.
Du und die KI werdet beide dem menschlichen Richter vorgeführt, und ihr müsst jeder ein Plädoyer vorbringen, warum ihr keine KI seid, sondern ein Mensch. Das Problem: Euer Plädoyer darf nur aus einem einzigen Wort bestehen.
Welches Wort würde beweisen, dass du menschlich bist?
Die KI würde Folgendes sagen:
Was sagst du?
CAPTCHAS
Bei diesem Szenario handelt es sich um eine extreme Version des Turing Test – einem Test, der menschliche Antworten von maschinellen unterscheiden soll.
Man muss das Wort Turing Test (oder seine komplexe Geschichte) heutzutage nicht einmal kennen, um es zu verstehen. Denn in unserem digitalen Alltag müssen heute wir ständig kleine Turing Tests absolvieren.
Am bekanntesten sind sie in der Form von Captchas (Completely Automated Public Turing test to tell Computers and Humans Apart).
Captchas sind eines der nervigsten Features des Internets. Sie werden ständig komplizierter und schwerer, sie unterbrechen beim Workflow, und am Allerschlimmsten: Sie lassen uns unsere digitale Machtlosigkeit spüren.
“You spend a lot of your day telling a robot that you’re not a robot”, sagte Comedian John Mulaney vor vier Jahren in diesem SNL-Monolog. “Think about that for two minutes and tell me you don’t want to walk into the ocean.” (Time-Code: 5:39)
Einer Schätzung von Cloudfare zufolge verbringt die Menscheit jeden Tag 500 Jahre mit dem Lösen von Captchas.
Wen das stört… Too bad.
Welcome to the rest of your digital life.
CONTENT ALS GAS
KI-generierter Content wird immer besser. Dafür gibt es viele Gründe (einer davon ist, ironischerweise, dass wir KI-Modelle durch das Lösen von Captchas jahrelang trainiert haben).
2023 könnte als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem viele “normale” Internet-User damit anfangen, digitale Texte grundsätzlich erstmal mit Misstrauen anzusehen. Die ersten Schritte dafür sind bereits getan: Ich weiß von mindestens drei Geschäftsführern und Team-Leads, die ihre Slack-Weihnachtsgrüße letztes Jahr mit ChatGPT geschrieben haben. Ein US-amerikanischer Kongressabgeordneter hat kürzlich eine KI-geschriebene Rede gehalten. Und ein von Meta entwickelter Bot hat erfolgreich das Spiel Diplomacy gemeistert – ein Strategiespiel in der Tradition von Risiko, bei dem es vor allem auf Verhandlungen und Kooperation ankommt.
Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis KI-generierte Inhalte alle verfügbaren Flächen im Internet füllen wie Gas. Deepfakes, KI-Kunst, automatisch generierte Artikel, Musik aus dem Reagenzglas... Maschinencontent wird normal sein – so normal, dass wir unseren Augen nicht mehr trauen.
Erst einmal wird das bedeuten, dass viele von uns “falschen” Content für echten halten. Aber von dort ist es nicht weit zur Gegenbewegung: Dass wir etwas aufrufen, das ein Mensch selbst geschaffen hat… und nur einen Roboter sehen.
Stell dir vor, du zeichnest digitale Kunst, lädst sie ins Internet und dort wird dir vorgeworfen, diese mit einer KI erstellt zu haben.
Das ist kein Zukunftsszenario. Das passiert in der Digital Art-Community mittlerweile ständig.
Nochmal… Welcome to the rest of your digital life.
DAS SCHLIMMSTE ANNEHMEN
Was passiert, wenn wir bei jedem Tinder-Match erst einmal einen Roboter vermuten, der uns genau das erzählt, das wir gerne hören wollen?
Was passiert, wenn jedes Video für uns wie eine Manipulation aussieht, entwickelt als Next-Level-Clickbait?
Was passiert, wenn jedes “So bekommen Sie Trauermücken weg”-Listicle auf uns wirkt, wie von einer KI geschrieben?
Was passiert, wenn wir uns im Internet fühlen wie der einzige Mensch unter unzähligen Robotern?
Dann brauchen wir eine neue Form von Captcha. Aber diesmal sind es keine Computer, die wir von unserer Menschlichkeit überzeugen müssen. Es sind andere Menschen.
DAS EWIGE CAPTCHA
Menschen, aber auch Publisher und Brands, werden im Internet der Zukunft permanent ihre eigene Menschlichkeit beweisen müssen.
Es wird immer Eigenheiten und Möglichkeiten geben, die einen als menschlich ausweisen. Doch die Maschinen (d.h. vor allem: andere Menschen, die diese Maschinen massenhaft steuern) werden diese Menschlichkeitsindikatoren permanent jagen, so dass sie sich ständig verschieben, immer neue Goalposts, immer neue Herausforderungen, der KI einen Schritt vorauszusein.
Ein ewiges Captcha.
Es ist unmöglich, die Zukunft vorherzusagen (auch das Szenario in diesem Text ist in gewisser Weise Spekulation), deswegen ist es auch unmöglich, zu sagen, wie wir dieses Chapta in Zukunft bestehen werden. Aber ChatGPT und seine Artverwandten zeigen uns zumindest, in welche Richtung es gehen könnte.
Die ChatGPT-Rede, die der amerikanische Kongressabgeordnete gehalten hat? Sie war nicht sehr gut. Wie die meisten KI-generierten Texte neigen sie sich zur generischen Mitte, zur algorithmisch perfektionieren Langeweile.
Im ewigen Captcha reicht es nicht, alle Boxen anzuklicken, in der sich Ampeln befinden.
Im ewigen Captcha ist wahrscheinlich das einzige, was hilft, nicht langweilig zu sein.
Je eigenartiger, skurriller, schrulliger ein Text ist, desto besser. Jeder seltsame Querverweis, jedes Meme und jeder Inside-Joke hilft uns dabei, menschlicher zu wirken. Wir müssen Texte schreiben, die auch klingen wie Texte von Menschen. Denn Texte von Robotern gibt es bald mehr als genug.
DER ULTIMATIVE TURING TEST (TEIL 2)
Stell dir vor, du wirst in einen virtuellen Gerichtssaal geführt, in dem dein physischer Körper nicht zu sehen oder zu hören ist – nur dein Avatar im Metaverse. Mit dir betritt eine KI den Raum – ein Avatar, der aussieht wie du, klingt wie du, aber ganz von künstlicher Intelligenz gesteuert wird.
Du und die KI werdet beide dem Richter vorgeführt, und ihr müsst beide ein Plädoyer vorbringen, warum ihr keine KI seid, sondern ein Mensch. Das Problem: Euer Plädoyer darf nur aus einem einzigen Wort bestehen.
Welches Wort würde beweisen, dass du menschlich bist?
Turns out, es gibt eine optimale Antwort auf diese Frage.
In einem Experiment am MIT haben Forscher genau dieses Szenario durchgespielt. Sie haben menschliche und künstliche Angeklagte in einem Wort antworten lassen, und anschließend menschliche Richter darüber entscheiden lassen, welche Antwort vom echten Menschen kam.
Die meisten Menschen wählten Begriffe wie “Liebe”, “Gott”, und so weiter.
Wenn man eine KI fragt, wird sie es mit ähnlichen Wörtern versuchen (in meinem Beispiel oben “Empathie”).
Doch es gibt ein besseres Wort.
Ein Wort, dass Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass nur ein Mensch es gesagt haben kann. Und dass eine KI in allen bisherigen Versuchen nicht ausprobieren würde, weil sie nicht versteht, was daran menschlich sein soll.
Dieses Wort ist “poop”.
Außerdem
KI
This film does not exist. nytimes.com
How Do AIs' Political Opinions Change As They Get Smarter And Better-Trained? astralcodexten.substack.com
I record myself on audio 24x7 and use an AI to process the information. Is this the future? roberdam.com
Inside CNET’s AI-powered SEO money machine. theverge.com
How ChatGPT Could Spread Toxic Misinformation At Unprecedented Scale. newsguardtech.com
Content
Wie haben sich Storytelling-Podcasts im letzten Jahr entwickelt? podstars.de
Why VR/AR Gets Farther Away as It Comes Into Focus. matthewball.vc
Deinfluencing. omr.com
Calligrapher.ai: Realistic computer-generated handwriting. calligrapher.ai
Fandom
Measuring the cultural weirdness of "Avatar". garbageday.email
Will the Metaverse Be Entertaining? Ask South Korea. nytimes.com
Dystopia
On Trump’s Social Network: Ads for Miracle Cures, Scams and Fake Merchandise. nytimes.com
Chasing YouTube's Biggest Copyright Troll Down the Rabbit Hole. lens.usestir.com
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